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Housi Knecht

Wer auf der Thunstrasse die Campagne Rubigen passiert und zwischen den Stämmen der urwüchsigen Bäume hindurchblickt, erhält eine Ahnung vom kleinen Paradies im Schatten der Schlossfassade. Eine perforierte Stahlkugel blitzt in der Sonne, daneben steht eine grosse dimensionierte Harfe aus Chromstahl, zwischen deren Hals und Korpus sich Saiten mit feinen Wasserstrahlen spannen. Es sind nur zwei der zahlreichen Skulpturen im Park des Schlosses Rubigen. 3000 Quadratmeter gross ist der Garten des Landsitzes, der 1728 gebaut wurde und einst unter anderem der Schauspielerfamilie Kohlund gehörte. Ihre ganze Pracht entfalten manche Kunstwerke erst nach Einbruch der Dunkelheit, wenn die Markenzeichen ihres Schöpfers zur vollen Geltung kommen: Mit Licht- und Wasserelementen erzeugt Housi Knecht verblüffende und einzigartige Eindrücke. Unbestritten hat der unermüdliche Künstler mit seiner „positive dynamic art“, in denen Kugeln und abgerundete Formen eine wichtige Rolle spielen und sich Härte mit Leichtigkeit paart, ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen.

Auf einem gekiesten Weglein des einst verwilderten und längst sehr gepflegten Gartens steht Housi Knecht, als seine Frau Barbara hinzukommt. Woher nimmt er noch immer die Inspiration für seine Werke? Der Mann mit dem schwarzen Gilet nimmt seine Frau in die Arme und drückt ihr ein Müntschi auf die Wange. Und lässt keinen Zweifel daran, wer hier die Muse ist, von der er immer wieder geküsst wird.

Im Mai feierte Housi Knecht seinen 73. Geburtstag – und strotzt vor Energie. Das merkt, wer ihm an einem der vielen öffentlichen Anlässe im Schlössli zuhört. Der Berner ist nicht nur ein begnadeter Künstler, sondern auch ein gekonnter Redner. Jeweils an Samstag- und Sonntagnachmittagen stehen die Galerie und der Park zur Besichtigung offen, hin und wieder finden Konzerte oder andere Anlässe statt. In vielen Details schildert der begnadete Erzähler dann die Entstehungsgeschichte seiner Werke, weiss fast von jedem, wo sie heute stehen. „Es war immer mein Traum, meine Werke in einer permanenten Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“ 2013 hat er sich diesen Wunsch mit dem Kauf des Schlosses erfüllt, wo er seither den oberen Stock bewohnt.

Doch Housi redet nicht nur, er schafft auch viel. Täglich ist er in seinem Atelier in Gümligen anzutreffen. Dort gehen ihm drei Assistenten zur Hand, teilweise arbeiten sie schon seit vielen Jahren zusammen. Auf ihre Hilfe ist er angewiesen, denn für seine Skulpturen hantiert Knecht mit tonnenschwerem Material und benutzt hochwertige Schweissgeräte. Dabei funktioniert der Autodidakt sehr strukturiert. Am Anfang des oft langen Herstellungsprozesseses, der bis zu 3000 Stunden in Anspruch nehmen kann, steht immer eine Skizze. Denn was man zeichnen könne, lasse sich später auch in dreidimensionale Form bringen. „Ich habe zu Beginn nie eine fertige Idee im Kopf, sondern entfalte ein Werk mit der Zeit“, beschreibt Knecht sein Vorgehen. So war es auch bei seinem jüngsten Auftragswerk, einer drei Meter hohen Skulptur mit einem Pendel in Form eines Zeitauges.

Housi Knecht ist viel auf Reisen, etwa an Ausstellungen in Deutschland oder in den USA, Dubai , Abu Dabi und Oman wo viele seiner Werke stehen.

Aufgewachsen ist Knech im Berner Brückfeld-Quartier. Nach der Lehre als Maschinenmechaniker in den „Lädere“ genannten damaligen Lehrwerkstätten Bern wanderte er nach Australien aus, kam aber Anfang der 1970er-Jahre wieder zurück. Das Fernweh aber blieb, und so reiste er unter anderem einem ehemaligen Mitstift mit dem Zug hinterher bis nach Japan, durchquerte die damalige Sowjetunion, war in Hong Kong und New York. Etwas ruhiger wurde es nicht zuletzt, als er seine Frau Barbara heiratete und eine Familie mit den beiden Töchtern Anja und Louisa gründete.

Dass sich Bern zu einem Treffpunkt für internationale Vertreter und Vertreterinnen der bildenden Kunst entwickelt hatte, kam dem weltgewandten Knecht entgegen. 1968 verhüllten die New Yorker Verpackungskünstler Christo und Jeanne-Claude die Kunsthalle komplett mit weissem Polyethylen und Nylonseilen – als erstes Gebäude überhaupt. „Das war für viele eine unerhörte Aktion und sorgte für viel Aufsehen“, erinnert sich Knecht. Weltbekannte Künstler und Ausstellungsmacher wie Joseph Beuys oder Harald Szeemann wirkten am gleichen Ort. Es war in dieser Zeit, als Housi Knecht den Maler Hans Binz kennenlernte und feststellte, dass dieser von seiner Kunst leben kann. „Was der kann, kann ich auch“, sagte sich der junge Mann und liess sich vom avantgardistischen Geist der damaligen Kunststadt inspirieren. In den 1970er-Jahren eröffnete in der Altstadt sein erstes Atelier. Internationale Aufmerksamkeit erhielt er 1983 als Performance-Künstler auf der Frankfurter Buchmesse mit seinem „Kultigator“. Mit einer 30 Tonnen schweren Hydraulikpresse zermalmte er alte Fernsehapparate, den die Messebesucher mitbrachten. Die flachgedrückten Platten setzte er in neue Werke ein.

Grosses Renommee in der Schweiz brachten ihm schliesslich die 33 Bärenskulpturen ein, die 1991 zum 800-Jahr-Jubiläum Berns in der ganzen Stadt aufgestellt wurden. Zwei Jahre später sorgte er mit dem Kreiselbären beim Bärengraben erneut für Aufsehen. Das Tier aus 250 Kilogramm Eisenblech mit der herausgestreckten Zunge war vielen Kritikern nicht genehm und an so einem bedeutenden Standort manchen wohl zu banal. In einer Guerilla-Aktion wurde die Skulptur gar geteert und gefedert – und der Schöpfer sah sich mit dem neuen Attribut „Bärenknecht“ versehen, das ihm missfiel. „Ich hatte ja viel mehr zu bieten als nur die Bären und suchte in der Folge nach anderen Themen.“ Tierskulpturen jedoch erschafft Knecht nach wie vor, besonders Katzen, wie ein Rundgang in seinem Schlosspark zeigt. Übrigens: Nach einigen Monaten musste der Bär vom Bärengraben seinen Platz räumen – ist aber weiterhin öffentlich aufgestellt, nämlich im Bärenkreisel vor dem „Bären“ in Ostermundigen. Knecht ists recht: Denn obwohl längst im Kunstestablishment etabliert, ist er im Gespräch angenehm unprätentiös und bildet sich nichts auf seinen Erfolg ein. Und obwohl er dank seiner Kunst längst wohlhabend geworden ist, hat er das Bonmot „Wer den Rappen nicht ehrt, ist des Frankens nicht wert“ verinnerlicht – und in einer seiner jüngsten Skulpturen im Atrium der SLM Münsingen Ausdruck gegeben.

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